OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2024, AZ 7 U 74/23
Ausgabe: 09/10-2024
1.
Die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG für einen nach links abbiegenden Schlepperfahrer ist bereits dann ausgeschlossen, wenn sein linker Rückspiegel entgegen § 23 Abs. 1 Satz 1 StVO verschmutzt ist und nicht auszuschließen ist, dass der Schlepperfahrer einen überholenden Motorradfahrer ohne Verschmutzung gesehen hätte.
2.
Ein Verstoß des überholenden Motorradfahrers gegen § 5 Abs. 7 Satz 1 StVO kann nicht in die Abwägung der Verursachungsbeiträge eingestellt werden, wenn schon nicht feststeht, dass der Abbiegende seinen linken Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat, und zudem Zweifel bestehen, ob die Erkennbarkeit des Fahrtrichtungsanzeigers im Hinblick auf seine Verschmutzung (Verstoß gegen § 54 Abs. 1 Satz 3 StVZO) gewährleistet war.
3.
Der Überholende ist nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht verpflichtet, seine Geschwindigkeit bei Annäherung an ein zu überholendes Fahrzeug zu ermäßigen, vielmehr muss er den Überholungsvorgang mit möglichster Beschleunigung durchführen (im Anschluss an BGH Urt. v. 19.1.1956 – 4 StR 427/55, BeckRS 1956, 103580 = beck 5).
4.
Der Überholende ist nicht verpflichtet, möglichst frühzeitig einen Spurwechsel vorzunehmen, sondern nach § 2 Abs. 2 StVO gehalten, möglichst lange möglichst weit rechts zu fahren.
5.
Biegt ein Schlepper in einem Wirtschaftsweg ein, hat er nicht nur zuvor rechtzeitig den Fahrtrichtungsanzeiger nach § 9 Abs. 1 Satz 1 StVO zu setzen und doppelte Rückschau nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO zu halten, sondern im Einzelfall – wie hier – trotz fehlenden Abbiegens in ein Grundstück nach § 1 Abs. 2 StVO in entsprechender Anwendung des § 9 Abs. 5 StVO eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen (in Anlehnung an BGH Urt. v. 17.1.2023 – VI ZR 203/22, r+s 2023, 265 Rn. 25, 30; im Anschluss an OLG Naumburg Urt. v. 12.12.2008 – 6 U 106/08, NJW-RR 2009, 744 = juris Rn. 19; OLG Stuttgart Beschl. v. 8.4.2011 – 13 U 2/11, BeckRS 2011, 14283 = juris Rn. 16).
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Das Urteil ist nicht zulassungsbeschwerdefähig.
Weitere Informationen: https://www.justiz.nrw/nrwe/olgs/hamm/j2024/7_U…