Straßenbahnen haben auch dann Vorrang, wenn die Ampel einer über die Schienen führenden Fahrspur für Kraftfahrzeuge grün ist. Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.04.2018 der Schadensersatzklage eines PKW-Fahrers den Erfolg versagt und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11.04.2017 (Az. 2 O 196/16 LG Bielefeld) bestätigt.
Der seinerzeit 79 Jahre alte Kläger aus Bielefeld befuhr im November 2015 mit seinem PKW BMW die Artur-Ladebeck-Straße in Bielefeld in Fahrtrichtung Innenstadt. Der Kläger beabsichtigte mittels eines sog. U-Turns zu wenden. Hierzu musste er einer Linksabbiegerspur folgend die für beide Fahrtrichtungen in der Straßenmitte befindlichen Straßenbahngleise überfahren. Der Kläger fuhr bei Grünlicht der für ihn geltenden Ampelanlage in den Gleisbereich ein. Als er sich mit seinem Fahrzeug auf den Gleisen befand, erfasste die aus gleicher Richtung kommende Straßenbahn der beklagten Verkehrsbetriebe den BMW. Kurz zuvor hatte eine weitere Straßenbahn aus der Gegenrichtung die Unfallstelle passiert. Durch den Unfall wurde das Fahrzeug des Klägers beschädigt, der Kläger erlitt erhebliche Verletzungen.
Von den beklagten Verkehrsbetrieben und dem ebenfalls beklagten Straßenbahnfahrer hat der Kläger materiellen und immateriellen Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 18.000 Euro. Dabei hat er behauptet, vor der Kollision mehrere Sekunden auf den Gleisen gestanden zu haben. Wenn der Straßenbahnfahrer rechtzeitig gebremst hätte, wäre der Unfall, so der Kläger, vermieden worden. Die Beklagten haben demgegenüber eingewandt, dass allein der Kläger für den Unfall verantwortlich sei, weil er ohne die Vorfahrt der Straßenbahn zu beachten, auf die Schienen gefahren sei und vor dem Zusammenstoß dort nicht bereits einige Zeit gestanden habe.
Die Schadensersatzklage des Klägers ist erfolglos geblieben. In Ergänzung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt. Die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts hat der Senat sodann mit seinem Urteil vom 13.04.2018 (Az. 7 U 36/17 OLG Hamm) bestätigt.
Für die Unfallfolgen sei der Kläger zu 100 % selbst verantwortlich, so der Senat. Ein Verschulden der Verkehrsbetriebe oder des Straßenbahnfahrers liege nicht vor.
Auf eine Änderung der Ampelphasenschaltung hätten die Verkehrsbetriebe nicht hinwirken müssen. Die zum Zeitpunkt des Unfalls vorhandene Ampelphasenschaltung – mit Grünlicht für linksabbiegende Kraftfahrzeuge, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn – sei rechtlich zulässig. Bei einer derartigen Ampelphasenschaltung greife die in der Straßenverkehrsordnung gesetzlich geregelte Vorrangregelung zu Gunsten der Schienenbahn, die auch gegenüber einem bei Grünlicht abbiegenden Linksabbieger gelte. Zwar sei es zwecks Vermeidung von Unfällen sicherer, wenn – wie nach der Änderung der Schaltung an der Unfallstelle im Sommer 2016 – durch eine Ampelschaltung ein gleichzeitiges Befahren des Bahnübergangs durch Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen sei. Auf eine solche Lösung habe aber kein Verkehrsteilnehmer Anspruch.
Verkehrsverstöße des beklagten Straßenbahnfahrers seien ebenfalls nicht feststellbar. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger sein Fahrzeug aus einer Warteposition neben den Gleisen erst zu einem Zeitpunkt auf das Gleisbett gelenkt habe, zu dem sich die von dem Straßenbahnfahrer geführte Straßenbahn schon so weit angenähert hatte, dass ein Anhalten der Bahn nicht mehr möglich gewesen sei. Der Vortrag des Klägers, sein Pkw habe zum Zeitpunkt der Kollision bereits auf den Schienen gestanden und sei nicht mehr in Bewegung gewesen, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Nach dieser sei weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Straßenbahnfahrers noch eine verspätete Reaktion des Fahrers auf die Fahrweise des Klägers bewiesen.
Vielmehr sei der Kläger für den Unfall allein verantwortlich. Er habe seinen PKW wenden wollen. Dabei habe er sich so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Um diesen Sorgfaltsanforderungen zu genügen, hätte er – ungeachtet des Grünlichts der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage – die in seine Fahrtrichtung fahrende Stadtbahn passieren lassen müssen und erst dann auf die Schienen fahren dürfen.
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