Handelt es sich bei einem elektronischen Taschenrechner um ein elektronisches Gerät, das – wie beispielsweise auch ein Mobiltelefon – der Information dient oder zu dienen bestimmt ist? Diese Rechtsfrage möchte der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm bejahen. Damit würde er allerdings von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg abweichen, weshalb er mit Beschluss vom 15.08.2019 die Frage gemäß § 121 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zur Beantwortung dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat.
Der betroffene Immobilienmakler aus dem Kreis Soest befuhr im Mai 2018 eine Straße in Erwitte, auf der die Höchstgeschwindigkeit auf 50 km/h beschränkt war. Während der Fahrt hielt er einen Taschenrechner in der rechten Hand in der Höhe des Lenkrads und berechnete mit diesem die Provision für einen anstehenden Kundentermin. Von einer Messstelle des Kreises Soest wurde der Betroffene mit einer Geschwindigkeit von 63 km/h gemessen und fotografiert.
Das Amtsgericht Lippstadt hat mit Urteil vom 11.02.2019 (Az. 7 Owi 181/18) gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in Tateinheit mit verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons als Kraftfahrzeugführer eine Geldbuße von 147,50 Euro verhängt. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass die Nutzung eines Taschenrechners in der zuvor beschriebenen Art gegen das Benutzungsverbot nach § 23 Abs. 1a der Straßenverkehrsordnung (StVO) verstoße.
Gegen dieses Urteil wendet sich der betroffene Immobilienmakler mit seiner Rechtsbeschwerde. Er vertritt unter Hinweis auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25.06.2018 (Az. 2 Ss (OWi) 175/18) die Ansicht, ein Taschenrechner unterfalle nicht der vorgenannten Verbotsnorm.
Der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm teilt diese Auffassung nicht. Dass es sich bei einem elektronischen Taschenrechner – so der Senat – um ein elektronisches Gerät handele, bedürfe keiner näheren Erläuterung. Dabei diene ein solcher Taschenrechner im Sinne von § 23 Abs. 1a Nr. 1 S. 1 StVO aber auch der Information oder sei hierzu bestimmt. Denn bei der Durchführung einer Rechenoperation mittels eines elektronischen Taschenrechners informiere sich der Nutzer über deren Ergebnis, etwa – wie vorliegend – welchen Betrag die Provision auf der Basis eines bestimmten Verkaufspreises und einer bestimmten prozentualen Maklercourtage ausmache. Daneben sei zu sehen, dass eine elektronischer Taschenrechner als Informationsgerät einen Ausschnitt dessen leiste, was auch ein in § 23 Abs. 1a S. 2 StVO ausdrücklich genanntes Mobiltelefon könne. Der von der Regelung des § 23 Abs. 1a S. 1 StVO verfolgte Zweck, den Gefahren zu begegnen, die von dem Aufnehmen des elektronischen Geräts und der nutzungsbedingten Ablenkung des Betroffenen vom Verkehrsgeschehen ausgehen würden, werde auch bei dem Verbot der Nutzung eines aufgenommenen elektronischen Taschenrechners erreicht.
Deshalb möchte der Senat das Urteil des Amtsgerichts Lippstadt im Ergebnis bestätigen und die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verwerfen. Da aber das Oberlandesgericht Oldenburg an seiner Auffassung festhält, dass ein Taschenrechner nicht der Verbotsnorm des § 23 Abs. 1a StVO unterfällt, legt der Senat die Rechtsfrage dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.
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