Der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Ulrich Groß hat mit einem heute verkündetem Berufungsurteil in einem Zivilrechtsstreit wegen eines Verkehrsunfalls am 29. Mai 2016 zwischen einem Feuerwehrfahrzeug und einem PKW das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Ellwangen (Jagst) teilweise abgeändert.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Feuerwehrfahrzeug der freiwilligen Feuerwehr einer Umlandgemeinde hatte seinerzeit den Auftrag, wegen einer akuten Hochwasserlage Sandsäcke zu einem Sammeldepot in Steinheim am Albuch/Kreis Heidenheim zu transportieren. Entsprechend der Anordnung des Einsatzleiters, mit Blaulicht und Martinshorn zu fahren, überholte das Feuerwehrfahrzeug innerorts den klägerischen PKW, der am rechten Straßenrand angehalten hatte. Wenige Meter danach hielt der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs am linken Straßenrand an, um einen dort stehenden Feuerwehrkollegen nach dem schnellsten Weg zum Sammeldepot zu fragen. Wegen der besseren Verständigung schaltete er das Martinshorn aus, nicht aber das Blaulicht. Nach kurzem Zuwarten fuhr der Fahrer des klägerischen PKW langsam rechts an dem Feuerwehrfahrzeug vorbei. Als er an diesem fast vorbei war, fuhr das Feuerwehrfahrzeug wieder los und zog zur Mitte der Fahrbahn, worauf die Fahrzeuge kollidierten. Der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs hatte dabei weder das Martinshorn eingeschaltet noch den rechten Blinker gesetzt. Er hatte beim Anfahren auch den rechts an ihm vorbeifahrenden PKW übersehen. Der Kläger hat gegenüber der beklagten Versicherung den Schaden in Höhe von rund 6.400,– € an seinem PKW eingeklagt.
Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts kann der Kläger von der beklagten Versicherung zwei Drittel des ihm entstandenen Schadens ersetzt verlangen. Es ist hierbei von einem überwiegenden Verschulden des Fahrers des Feuerwehrfahrzeugs ausgegangen.
Angesichts der akuten Hochwasserlage habe es sich beim Transport der Sandsäcke um eine Hilfeleistung bei einem öffentlichen Notstand gehandelt. Das Feuerwehrfahrzeug habe deswegen Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 Straßenverkehrsverordnung in Anspruch nehmen dürfen. Hierbei sei das Feuerwehrfahrzeug aber nur insoweit von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit gewesen, als dies zur Erfüllung der vorliegenden Aufgabe dringend geboten gewesen sei. Danach habe das Feuerwehrfahrzeug zwar auf der linken Fahrbahnseite anhalten dürfen, was normalen Fahrzeugen nur in Einbahnstraßen oder dann gestattet sei, wenn auf der rechten Seite Schienen liegen (§ 12 Abs. 4 Satz 4 StVO). Vor dem Anfahren hätte der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs aber das Martinshorn einschalten, den Blinker betätigen und kurz zuwarten müssen, damit sich der Verkehr auf eine Fortsetzung der Einsatzfahrt einstellen kann. Der Fahrer hätte sich vor der Weiterfahrt auch vergewissern müssen, dass er den rechten Straßenbereich gefahrlos befahren kann und sich dort keine Fahrzeuge befinden. Diese Maßnahmen hätten zu keiner wesentlichen Verzögerung geführt und deswegen trotz der Dringlichkeit der Einsatzfahrt durchgeführt werden müssen, zumal derjenige, der Sonderrechte in Anspruch nehme, zu besonderer Aufmerksamkeit und Vorsicht verpflichtet sei.
Der Fahrer des klägerischen PKW habe erkannt, dass sich der Fahrer des Feuerwehrfahrzeugs bei fortdauernd eingeschaltetem Blaulicht mit einem am linken Straßenrand stehenden Passanten unterhalten habe. Der PKW-Fahrer habe deswegen nicht davon ausgehen dürfen, dass die Einsatzfahrt des Feuerwehrfahrzeugs mit dem Anhalten am linken Fahrbahnrand beendet gewesen sei. Er hätte sich vielmehr vergewissern müssen, dass das Feuerwehrfahrzeug die Eilfahrt nicht kurzfristig fortsetzt. Die Abwägung der Verschuldensbeiträge hat den Senat dazu bewogen, das mit der Berufung angegriffene Urteil des Landgerichts Ellwangen abzuändern, das von einem überwiegenden Verschulden des Fahrers des PKW ausgegangen war.
Die Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Wegen der geringen Höhe des Streitwerts können die Parteien gegen die Nichtzulassung keine Beschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen.
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