(Kiel) Ein Kraftfahrzeugführer, der bei Grün die für ihn maßgebliche Haltelinie der Kreuzung überfährt, dann aber verkehrsbedingt halten muss, bevor er die Fluchtlinien der Gehwegkanten passiert hat, hat nach Umschalten „seiner“ Ampel dem anfahrenden Querverkehr den Vorrang einzuräumen (sog. „unechter Kreuzungsräumer“). Kommt es dann zu einem Verkehrsunfall mit einem Fahrzeug des anfahrenden Querverkehrs, handelt es sich um einen groben Verkehrsverstoß, der zur alleinigen Haftung des „unechten Kreuzungsräumers“ führen kann.

Darauf verweist der Moerser Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht Bertil Jakobson, Mitglied des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf ein rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 27.10.2011, Az.: 53 C 2187/11, das dieser im Auftrag seiner Mandantin erstritten hatte. 

Im vorliegenden Fall hatte eine Fahrzeugführerin ihre Fahrt in den Kreuzungsbereich unterbrechen und nach Passieren der für sie maßgeblichen Haltelinie anhalten müssen, da vor ihr ein anderes Fahrzeug ein unerwartetes und für sie überraschendes Wendemanöver durchführte. Sie fuhr neu an und stieß in der Mitte der Kreuzung mit dem queranfahrenden klägerischen Pkw zusammen, wobei offen blieb, ob diese Fahrzeugführerin ggfs. einen Rotlichtverstoß begangen hatte. Im Rahmen der außergerichtlichen Regulierung erhob die verklagte Kfz-Haftpflichtversicherung einen Mitverschuldenseinwand, da der fahrzeugführende Zeuge des klägerischen Pkws der beklagten Fahrzeugführerin das Verlassen der Kreuzung hätte ermöglichen müssen. Die geltend gemachten Ansprüche wurden außergerichtlich nur zu 70 % reguliert. 

Nach durchgeführter Beweisaufnahme kam das Amtsgericht Duisburg in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Beklagten als Gesamtschuldner für die unfallbedingten Schäden zu 100 % haften. Die Beklagten konnten nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass die beklagte Fahrzeugführerin eine so genannte „echte Kreuzungsräumerin“ bzw. „echte Nachzüglerin“ war (vgl. Henschel, § 37 StVO, Rn. 45, 45a m.w.N.; OLG Koblenz – Urt. v. 8. September 1997 – Az. 12 U 1355/16). 

Die persönlich angehörte beklagte Fahrzeugführerin konnte weder in räumlicher noch in zeitlicher Hinsicht glaubhafte Angaben dazu machen, in welchem Bereich der Kreuzung genau sie von dem vor ihr wendenden Fahrzeug aufgehalten worden ist. 

Bei dieser Sachlage musste davon ausgegangen werden, dass diese Fahrzeugführerin das Vorrecht des – zwischen den Parteien unstreitig – bei Grün einfahrenden Zeugen des Pkws der Klägerin verletzte. Bei diesem groben Verschulden trat die Betriebsgefahr des von dem Zeugen der Klägerin gesteuerten Pkws vollständig zurück. 

In rechtlicher Hinsicht handelte es sich bei der beklagten Fahrzeugführerin um eine „unechte“ Nachzüglerin, da sie zwar die für sie maßgebliche Ampel (noch) bei Grün passiert hatte, aber vor dem Erreichen der eigentlichen Kreuzung, d.h. der sich kreuzenden Fahrbahnen, aufgehalten wurde und anhalten musste (OLG Koblenz – Urt. v. 8. September 1997 – Az. 12 U 1355/16 m.w.N.). 

Die genaue Differenzierung zwischen „echten“ und „unechten Kreuzungsräumern“ ist bei der Bearbeitung von Verkehrsunfällen in Kreuzungsbereichen besonders zu beachten, da u.U. von einer alleinigen Haftung eines Unfallbeteiligten ausgegangen werden muss, so betont Jakobson.

Derjenige Fahrzeugführer, der das Privileg des „echten“ Kreuzungsräumers für sich reklamiert, ist nach allgemeinen Regelungen der Beweislastverteilung  darlegungs- und beweisbelastet gem. § 286 ZPO, so Jakobson weiter. Dieser Nachweis war den Beklagten in der durchgeführten Beweisaufnahme nicht gelungen, da die beklagte Fahrzeugführerin die ihr gestellten Fragen nicht in einer das Gericht überzeugenden Art und Weise beantworten konnte.

Jakobson empfahl, dies zu beachten und in ähnlichen Fällen ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.
 

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