(Kiel) Der Bußgeldrichter kann – ohne weitere Feststellungen zum Wissen und Wollen des Fahrzeugführers – von einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehen, wenn der Fahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschritten hat.
Darauf verweist der Erlanger Fachanwalt für Verkehrsrecht Marcus Fischer, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 6.06.2016 zu seinem rechtskräftigen Beschluss vom 10.05.2016 (4 RBs 91/16).
- Zum Hintergrund:
Innerhalb einer geschlossenen Ortschaft darf man mit dem Pkw regelmäßig nur 50 km/h fahren. Jeder Autofahrer weiß das. Fährt er zu schnell, droht bei einer verkehrspolizeilichen Kontrolle – je nach der Schwere des Verstoßes – ein Verwarnungs- oder Bußgeld. Dessen Höhe richtet sich im Regelfall nach dem Bußgeldkatalog. Regelfall meint hierbei eine fahrlässige Begehungsweise bei gewöhnlichen Tatumständen. Bei vorsätzlicher Begehungsweise und/oder außergewöhnlichen Tatumständen wie z.B. einer Geschwindigkeitsüberschreitung in einer ohnehin gefährlichen Verkehrssituation, muss mit einem erhöhten Bußgeld gerechnet werden.
Wann fährt man vorsätzlich, d.h. wissentlich und willentlich, zu schnell und wann nur fahrlässig, etwa weil man gerade einmal nicht auf die Geschwindigkeit geachtet hat? Das hängt vom persönlichen Wissen und der inneren Einstellung des Fahrers zur Tat ab. Diese Umstände kennt eigentlich nur der betroffene Fahrer selbst. Der Richter kann sie aber aus äußeren Umständen der Tat, sog. Indizien, schließen. Für den Betroffenen kann das erhebliche Konsequenzen haben: Wird er wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt, muss er nicht nur mit einem höheren Bußgeld rechnen. Er riskiert zudem den Eintritt seiner Verkehrs-Rechtschutzversicherung, weil diese bei gerichtlich festgestellten vorsätzlichen Ordnungswidrigkeiten regelmäßig die Gerichts- und Anwaltskosten nicht mehr übernimmt.
- Die Entscheidung des 4. Senats für Bußgeldsachen vom 10.05.2016:
Der Bußgeldrichter kann – ohne weitere Feststellungen zum Wissen und Wollen des Fahrzeugführers – von einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgehen, wenn der Fahrzeugführer die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschritten hat.
- Zum Fall:
Der zur Tatzeit 55 Jahre alte Betroffene aus Höxter ist bereits mehrfach verkehrsrechtlich, u.a. wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten. Im August 2015 befuhr er mit seinem Pkw Daimler Benz in Höxter innerorts die B 64 (Entlastungsstraße). Die zulässige, auch durch eine entsprechende Beschilderung ausgewiesene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritt er bei einem Überholmanöver um 28 km/h, wobei sein Fahrzeug von der Polizei mittels Lasermessung kontrolliert und so die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wurde.
Den Verkehrsverstoß des Betroffenen ahndete das Amtsgericht Höxter mit einem Bußgeld von 300 Euro (Urteil vom 01.03.2016, Az.11 OWi 301/15) und verhängte damit eine Geldbuße, die deutlich über dem im Bußgeldkatalog für derartige Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgesehen Betrag von 100 Euro liegt. Dabei ging das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Begehung aus und berücksichtigte zu Lasten des Betroffenen zudem seine Voreintragungen.
Die vom Betroffenen gegen seine Verurteilung eingelegte Rechtsbeschwerde hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 10.05.2016 als unbegründet verworfen. Der Betroffene sei, so der Senat, zu Recht wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handele vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kenne und bewusst dagegen verstoße. Der Grad der Überschreitung könne ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankomme. Insoweit gehe der Senat – in Übereinstimmung mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung – von dem Erfahrungssatz aus, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibe, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 % überschreite. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Dem Betroffenen sei die innerorts zulässige Geschwindigkeit aufgrund der örtlichen Beschilderung bekannt gewesen. Im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle habe er sie – zudem ein anderes Fahrzeug überholend – um mehr als 50 % überschritten. Allein dieser Umstand rechtfertige die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes, den der Tatrichter nicht mit weitergehenden Feststellungen begründen müsse.
Fischer riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.
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Marcus Fischer
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Vize-Präsident des VdVKA – Verband Deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V.
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